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Einsatz von Cannabis bei Endometriose | GH Academy

Einsatz von Cannabis bei Endometriose

Einsatz von Cannabis bei Endometriose

Endometriose Key Facts

  • Ca. 8 bis 15 % aller Frauen leiden an Endometriose z. T. verbunden mit starken Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Magen-Darm-Beschwerden.
  • Behandlungsleitlinie sieht Cannabinoid-Therapie zur Behandlung der neuropathischen Schmerzkomponente bei chronischem Schmerzsyndrom vor.
  • Hohe Synthese von Cannabinoid-Rezeptoren im Endometriumgewebe legen Beteilung des Endocannabinoidsystems an Ausbildung des Krankheitsbildes nahe.
  • Cannabinoide besitzen aufgrund ihrer entzündungshemmenden, krampflösenden und schmerzlindernden Eigenschaften ein hohes therapeutisches Potenzial.
  • Erfahrungsberichte von Endometriose-Patientinnen belegen Verbesserung der Lebensqualität nach der Einnahme von medizinischem Cannabis.

Endometriose ist eine der häufigsten Unterleibs-Erkrankungen, die ca. 8 bis 15 % aller Frauen betrifft. In Deutschland erkranken schätzungsweise 40.000 Frauen jedes Jahr an Endometriose. Gekennzeichnet ist die Krankheit durch starke, krampfartige Schmerzen vor allem während der Menstruation, die vom Unterleib bis in den Rücken bzw. die Beine ausstrahlen können. Häufig werden sie von Übelkeit, Erbrechen und weiteren gastrointestinalen Symptomen begleitet. Bei manchen Betroffenen sind die Schmerzen so stark, dass sie sogar das Bewusstsein verlieren. Zudem stellt die Endometriose eine Hauptursache für unerfüllten Kinderwunsch dar, sodass die Erkrankung nicht selten auch mit einer psychischen Belastung einhergeht. Die Ursache der Endometriose sind Zysten und Entzündungsherde, sogenannte Endometrioseherde, die außerhalb der Gebärmutter auftreten. Diese Gewebe ähneln dem Gebärmuttergewebe und unterliegen ebenso zyklischen Schwankungen. Da diese jedoch nicht im Verlauf der Menstruation abgestoßen werden können, kommt es in der Folge zu Gewebevernarbungen und -verhärtungen an umliegenden Organen wie Eierstöcken oder Därmen. Diagnostiziert wird die Endometriose im Zuge eines laparoskopischen Eingriffes und anschließender mikroskopischer Untersuchung.

Die bisherige schulmedizinische Behandlung der Endometriose sieht meist eine operative Entfernung der Endometrioseherde in Kombination mit Schmerzmitteln und einer hormonellen Behandlung zur Verhinderung des erneuten Aufbaus des gebärmutterähnlichen Gewebes vor. Diese Therapie ist jedoch oft mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Nicht zuletzt wird aufgrund der hormonellen Behandlung die Fruchtbarkeit der Frauen sehr stark eingeschränkt.

Im Rahmen der Erneuerung der Behandlungsleitlinie der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe wurde die Behandlung mit Cannabinoiden bereits als Therapieoption der neuropathischen Schmerzkomponente bei chronischen Schmerzsyndromen hinzugefügt.

Rolle des Endocannabinoidsystems

Die genauen Ursachen, die zur Entstehung der Endometriose führen, sind nach wie vor unklar. Diskutiert wird über eine genetische Komponente, aber auch eine Störung des Hormon- oder Immunsystems, ein bakterieller Befall der Beckenumgebung, eine retrograde Menstruation, unkoordinierte Muskelbewegungen der Gebärmutter oder chemische Schadstoffe in der Umwelt (u.a. Dioxine, PCB) werden als mögliche Ursachen angeführt.

Endocannabinoide sind natürliche, vom menschlichen Körper produzierte Cannabinoide. Sie erfüllen unterschiedliche biologische Funktionen und aktivieren die bekannten Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2. Eine Studie aus dem Jahr 2017 belegte bereits, dass die Hemmung des CB1-Rezeptors nachgeschaltete Signalwege beeinflusste und so die schmerzvermittelnde Reizweiterleitung hemmte1. Des Weiteren konnte eine hohe Expression an CB1- und CB2-Rezeptoren in Endometriumgewebe nachgewiesen werden2. Da Endocannabinoid-Rezeptoren mit der Vermittlung von Endometriose-assoziierten chronischen Schmerzen und Immunreaktionen in Verbindung gebracht werden, könnten diese Ergebnisse bei der Entwicklung neuer Therapieansätze entscheidend sein. In einer weiteren Studie wurde gezeigt, dass zahlreiche CB1-Rezeptoren in Neuronen vorhanden sind, die das abnormale Wachstum der Endometriose anregen3. Somit scheint es naheliegend, dass Endometriosen mit einem klinischen Endocannabinoidmangel einhergehen können. Um diesen Mangel auszugleichen, bietet die Therapie mit medizinischem Cannabis einen vielversprechenden Ansatz.

Potenzial von medizinischem Cannabis

Medizinalcannabis hat antiproliferative Wirkung. Das heißt, es kann die Vermehrung von Gebärmuttergewebe außerhalb der Gebärmutter vermindern4. Zudem hat es analgetische Eigenschaften und kann daher durch die Enodmetriose bedingte Schmerzen lindern5. Die Verträglichkeit wird dabei deutlich höher eingeschätzt als dies beispielsweise bei Opiaten der Fall ist. Des Weiteren besitzen Cannabinoide entzündungshemmende und krampflösende Wirkung. 

Die Einnahme von Cannabinoiden kann dem Ungleichgewicht von Endocannabinoiden und Cannabinoidrezeptoren, wie es bei den Betroffenen nachgewiesen wurde, entgegenwirken. Dies muss jedoch im Rahmen von wissenschaftlichen Studien belegt werden.

Aktuelle Studienlage

Im Rahmen einer Kohortenstudie wurden 252 Patientinnen zum Einsatz von Medizinalcannabis bei ihrer Endometriose befragt6. Die Wirkung des Cannabis wurde dabei von den Patientinnen selbst eingeschätzt. Das am häufigsten angegebene behandelte Symptom war Schmerz. Am stärksten war die Wirkung von Cannabis gegen gastrointestinale Schmerzen. Inhaliertes Cannabis zeigte die beste Wirkung gegen Schmerzen und oral eingenommenes Cannabis gegen Stimmungsschwankungen und gastrointestinale Schmerzen.

Australische Forscher befragten 237 Endometriose-Patientinnen nach ihren Erfahrungen zum Einsatz von medizinischem Cannabis7. 72,0 % der australischen und 88,2 % der neuseeländischen Befragten gaben an, sich Cannabis illegal selbst zu verabreichen. Nur 23,1 % der australischen und 5,9 % der neuseeländischen Befragten erhielten Cannabis auf ärztliche Verschreibung. Im Zusammenhang mit der Einnahme von Cannabis wurden erhebliche Substitutionseffekte (> 50 % Reduktion) bei Konsumentinnen von Nichtopioid-Analgetika (63,1 %), Opioid-Analgetika (66,1 %), Hormontherapien (27,5 %), Antineuropathika (61,7 %), Antidepressiva (28,2 %) und Medikamenten gegen Angstzustände (47,9 %) beobachtet. Neben diesen Berichten über positive Effekte ist jedoch die hohe Zahl der Einnahmen ohne ärztliche Aufsicht besorgniserregend. Etwa 20 % der Befragten gaben an, dass sie ihre Ärztin bzw. ihren Arzt nicht über ihre Cannabiseinnahme informierten, da sie sich Sorgen über die rechtlichen Folgen, die gesellschaftliche Beurteilung oder die Reaktion der Ärztin oder des Arztes machten. Insbesondere im Hinblick auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und das Absetzen oder Verringern bestimmter Medikamente ohne die ärztliche Aufsicht, wäre eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Arzt und Patient dringend ratsam.

Neben den bereits beschriebenen Studien gibt es auch eine tierexperimentelle Studie mit einem Rattenmodell der Endometriose. In dieser Untersuchung wurde gezeigt, dass CBD die Symptome durch seine entzündungshemmenden, antioxidativen und antiangiogenen Wirkungen verbessern konnte8.

Fazit

Die Diagnose der Endometriose gestaltet sich derzeit sehr schwierig. Häufig müssen Frauen jahrelang unter starken Schmerzen leiden, bis eine adäquate Therapie eingeleitet wird. Mit dem Wissen eines dysregulierten Endocannabinoidgehaltes im Endometriumgewebe oder im Blut der Betroffenen wäre es denkbar, einen geeigneten Biomarker zu etablieren, der es ermöglicht, eine schnellere und gesicherte Diagnose zu erstellen. Dazu sind weitere Studien über den Endocannabinoidgehalt bei Frauen, insbesondere im Zusammenhang mit Endometriose, zwingend notwendig. Nichtsdestotrotz liefern die bereits vorliegenden Studien und die Erfahrungen von medizinischen Cannabispatientinnen sehr vielversprechende Ergebnisse zum Nutzen von Cannabis bei der Behandlung von Endometriose. Das Potenzial von Cannabis die Symptome dieser Krankheit zu behandeln und die Lebensqualität der Betroffenen entscheidend zu verbessern, ist ziemlich offensichtlich

Quellenangabe

[1] Han, H., Liang, X., Wang, J., Zhao, Q., Yang, M., Rong, W., & Zhang, G. (2017). Cannabinoid receptor 1 contributes to sprouted innervation in endometrial ectopic growth through mitogen-activated protein kinase activation. Brain research, 1663, 132–140.
[2] Allam, S., Paris, E., Lazcano, I., Bitterman, P., Basu, S., O'Donnell, J., & Barua, A. (2022). Detection of Cannabinoid Receptor Expression by Endometriotic Lesions in Women with Endometriosis as an Alternative to Opioid-Based Pain Medication. Journal of immunology research, 2022, 4323259.
[3] Dmitrieva N, Nagabukuro H, Resuehr D, Zhang G, McAllister SL, McGinty KA, Mackie K, Berkley KJ. Endocannabinoid involvement in endometriosis. Pain. 2010 Dec;151(3):703-710.
[4] Sanchez, A. M., Vigano, P., Mugione, A., Panina-Bordignon, P., & Candiani, M. (2012). The molecular connections between the cannabinoid system and endometriosis. Molecular human reproduction, 18(12), 563–571.
[5] Eichorn, N. L., Shult, H. T., Kracht, K. D., & Berlau, D. J. (2022). Making a joint decision: Cannabis as a potential substitute for opioids in obstetrics and gynecology. Best practice & research. Clinical obstetrics & gynaecology, 85(Pt B), 59–67.
[6] Sinclair, J., Collett, L., Abbott, J., Pate, D. W., Sarris, J., & Armour, M. (2021). Effects of cannabis ingestion on endometriosis-associated pelvic pain and related symptoms. PloS one, 16(10), e0258940.
[7] Sinclair, J., Toufaili, Y., Gock, S., Pegorer, A. G., Wattle, J., Franke, M., Alzwayid, M. A. K. M., Abbott, J., Pate, D. W., Sarris, J., & Armour, M. (2022). Cannabis Use for Endometriosis: Clinical and Legal Challenges in Australia and New Zealand. Cannabis and cannabinoid research, 7(4), 464–472.
[8] Okten, S. B., Cetin, C., Tok, O. E., Guler, E. M., Taha, S. H., Ozcan, P., & Ficicioglu, C. (2023). Cannabidiol as a potential novel treatment for endometriosis by its anti-inflammatory, antioxidative and antiangiogenic effects in an experimental rat model. Reproductive biomedicine online, 46(5), 865–875.

Autor: Dr. Nadine Herwig
Dr. Nadine Herwig - Leiterin Grünhorn Academy
Dr. Nadine Herwig studierte von 2006 bis 2010 Angewandte Naturwissenschaften an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Ihre Promotion führte sie am Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf am Institut für Radiopharmazie durch. Zu ihren bislang publizierten wissenschaftlichen Arbeiten gehören u. a. Originalartikel auf dem Gebiet der Hautkrebsforschung und der Biomarker.